auswaerds ist mein „Spaßprojekt“. Die Idee dazu entstand durch stundenlanges, zielloses Surfen im Netz. Auf der Suche nach Informationen zu Ländern, Orten, Kulturen, Wissenswerten und Spaßigem, fand ich Blogbeiträge, Globetrotter-Hotspots und mehr. Und weniger. Und was gibt es noch?
Die Frage stelle ich mir sehr oft. Vor allem, weil ich selbst ein Reise-Junkie bin. Und immer auf der Suche nach tollen Zielen. Dazu kommen noch Wohnortwechsel aus beruflichen Gründen. Also warum dann nicht einfach mal meine Erfahrungen teilen? Und auswaerds? Tja, auswaerds steht für Reisen, Unbekanntes, Neues, Andersartigkeit. So wie meine Passion. auswaerds beginnt aber für mich bereits vor der Tür. Daher möchte ich Euch genauso in ferne Länder mitnehmen, als auch direkt vor meine Tür.
Die Frage stellten wir uns, als wir zum ersten Mal von den Einschränkungen der Covid-Pandemie betroffen sind. Bis dahin führt unser Fernweh nach Panama, England, Frankreich, Edinburgh, Dublin und nach Kalifornien. Im Januar 2020 besuchen wir noch ein Konzert in Hamburg. Und jetzt, ein Jahr später, sind wir froh die Möglichkeit zu nutzen, im September 2020 zwei Wochen lang die Rucksäcke zu schultern und abzuschalten.
Ist das möglich? Was kommt auf uns zu? Zwischen Home Office, sich ständig ändernden Reiseregelungen und Hygieneregeln? Zudem halten uns viele Menschen aus unserem Umkreis für verrückt, in der Pandemie das Land zu verlassen. Gelegentlich stoßen wir sogar auf Ablehnung.
Aber wie?
Voraussetzungen bilden die gesetzlichen Regelungen der Reiseländer. In unserem Fall Schottland. Allerdings ist es bis Mitte August noch nicht ganz klar, ob wir wirklich in München in das Flugzeug steigen dürfen. Bis dahin, verfolgen wir mehr als aufmerksam die schottischen und deutschen Medien um aktuell zu bleiben. Ebenso ist es für uns selbstverständlich, die örtlichen Hygieneregeln zu beachten. Wie wird das Reisen? Wie verhalten sich die Menschen in Schottland gegenüber Reisenden?
Hürden und Pflichten
Zuerst ist noch eine andere Hürde zu nehmen: ständige Flugverschiebungen. Unsere Fluggesellschaft kämpft mit den Auswirkungen der Pandemie. Die sinkende Anzahl der Fluggäste nach und von Großbritannien führen zu Streichungen und Verlegung der Flüge. Insgesamt verschiebt die Gesellschaft fünfmal unsere Abflüge. Mit einigem organisatorischen Aufwand schaffen wir auch das.
Dann geht es los. Maskenpflicht in Zügen, am Flughafen, im Flugzeug und allen öffentlichen Räumen. Zwei Meter Abstand. Das Einreiseformular für Großbritannien ist ausgefüllt. Ein letzter Check der aktuellen Quarantäneregelungen. Deutschland ist auf der „Liste“. Noch.
Kontraste: Quirlig und Ruhig
München – London – Glasgow und zurück. Das Reisen ist still und ruhig. Ein wenig Langweilig sogar. Das Hin und Her der Fluggäste fehlt. Die Schlangen in den Abflughallen sind entsprechen kurz. Die Reisenden nehmen extrem Rücksicht auf einander. Abstände. Verständnis. Eigener Schutz. Freundlichkeit. Die Mitarbeiter der Dienstleister freuen sich auf die Reisenden.
Flughafen München
Wo Licht ist, ist auch Schatten: in der Mehrzahl sind die Geschäfte und Restaurants geschlossen. Oder warten auf Kunden. Ein Einzelhändler schließt sogar, als ersichtlich ist, dass die Abfliegenden keinen weiteren Einkauf tätigen
Anders das Drehkreuz London: Heathrow quillt über vor Lebendigkeit. Der Gegensatz könnte kaum größer sein. Es ist, als würde die Covid-Situation das Reisen nicht einschränken. Aber auch hier müssen sich schon einige Gastwirte anpassen und schließen.
Bei der Ausreise in München erhalten wir das Gefühl etwas Verbotenes zu tun. Warum reist ihr? Indirekt: ist das notwendig? Das ist ziemlich unangenehm. Die Einreise in Großbritannien gestaltet sich hingegen als einfach. Trotz Covid. Der Beamte überprüft kurz auf dem Smartphone das ausgefüllte Einreiseformular, wundert sich, dass wir so viele Übernachtungen angegeben haben und winkt uns zusammen durch. Das war es. Mehr nicht. Welcome to UK.
Zu Gast in einem Hotspot: Schottische Vorschriften und Kreativität
Auf zum Hotel. Angekommen stellen wir sehr schnell fest, dass sich die Gastgeber in Hotels, B&B’s und Restaurants sehr gut auf die Pandemie eingestellt haben. Wir merken, dass sich die Schotten auf die Gäste freuen. Vieles ist weitgehend kontaktlos. Alles mit Abstand. Der Check-In und die Bezahlung werden über die Buchungsplattform abgewickelt oder erfolgt per Kartenzahlung. Auch bei den kleineren B&B’s. Die Menükarten in den Restaurants sind über den QR-Code auf den Tischen ersichtlich. Ebenso erfolgt die Gästeregistrierung online per Smartphone. WLAN gibt es überall und kostenfrei. Laufwege innerhalb der Gebäude sind ausgewiesen. Die Zimmer werden bei Abreise desinfiziert.
Erfindungsreich wird es beim Frühstück. Von einem typischen, frisch gekochten, schottischen Frühstück bis hin zu einer Frühstückstüte auf dem Zimmer mit Instand-Porridge, Tee und Müsliriegel, gibt es alles. Sogar ein Frühstückbuffet wird in einem Fall angeboten. Einige arbeiten auch mit festen Zeitfenstern für die Frühstücksräume. Herzliche Gastfreundlichkeit inklusive.
Während unseres Aufenthalts wird die „Rule-of-Six“ eingeführt. Jeweils sechs Personen. An Tischen in Restaurants, im Freien, in Räumen. Die Annahme und Umsetzung sehen wir kritisch entgegen. Aber alles läuft gut.
Beim Einkaufen machen wir die ersten Erfahrungen mit der Strenge der schottischen Regelungen. Das ist zu Deutschland ein ziemlicher Gegensatz: in fast jedem größeren Geschäft oder öffentlichen Gebäude wird der Zutritt durch eine Security geregelt. Kein Eintritt ohne Desinfektion der Hände und Maske. Überall. Zurück in Deutschland ist es das erste was wir vermissen. Irritiert suche ich im ersten besuchten Lebensmittelgeschäft nach dem Spender. Gefunden habe ich ihn nicht.
Ja, das geht!
Unterwegs begegnen uns hilfsbereite, interessante und freundliche Menschen. So kennen wir und lieben wir Schottland. Zeit für einen Plausch hat jeder, auch unter Abstand. Natürlich kommt immer wieder die Frage: wie macht Ihr das in Deutschland? Wir erfahren auch, dass Deutschland bewundert wird für den Umgang mit der Pandemie. Abstand halten gilt auch für gemeinsame Wegstrecken. Jeder nimmt Rücksicht. Die Prise Humor und gute Laune ist mit von der Partie. Immer.
Glasgow – Kelvingrove Park
Auf unserer Schottland-Reise haben wir uns zu keiner Zeit unwohl oder unsicher gefühlt. Im Gegenteil. Wir erleben einen verantwortungsvollen Umgang miteinander. Klar fragen wir uns, wie die Regeln in einem gefühlt überfüllten Kelvingrove Park in Glasgow an einem sonnigen Tag eingehalten werden können. Wo sich die Kids im Scaterpark austoben oder die Studenten am Semesterbeginn die Grünflächen nutzen. Andererseits müssen wir auf den Reisen mit Covid leben. Reisen und Covid? Geht!
Graues, wolkenverhangenes Winterwetter und ein Spaziergang im Park. Zugegeben das klingt nicht nach der besten Kombination, ist aber auf jeden Fall für uns auch etwas Besonderes. Parks im Winter besitzen ihren eigenen Zauber, also machen wir uns auf den Weg nach Sarreguemines im französischen Department Lothringen.
Park des Schlosses Utzschneider
Angekommen vor dem Schloss, erwartete mich eine Überraschung: das Schloss macht einen sehr stillen Eindruck. Was auch nicht verwundert. Das Schloss aus dem 19. Jahrhundert beherbergt heute einen Verwaltungssitz der Stadt. Samstags sind daher naturgemäß die Türen verschlossen. Dennoch freue ich mich, den Park auf der Rückseite zu sehen. Ein Mammutbaum ist die Attraktion im Garten. Und werde enttäuscht. Der Park eignet sich aufgrund seiner Abmessungen nur für einen sehr kurzen Rundgang, ist aber dennoch hübsch.
Saarguemines – alte Industriestadt vs. Moderne
Aber was jetzt? Wir lassen das Auto stehen und laufen in die zwanzigminütig entfernte Innenstadt. Der verlassene Eindruck bleibt auf dem Spaziergang bestehen. Zwar sind viele Autos Richtung Zentrum unterwegs, jedoch sind Passanten kaum zu sehen. Mit gemischten Gefühlen laufen wir weiter Richtung Innenstadt. Architektonisch wechseln sich Gebäude aus den 50er im typischen französischen Baustil, mit Häusern aus der Kaiserzeit und Bauhaus ab. Auch entdecken wir zwei neogotische Kirchen. Alles wirkt ein wenig veraltet.
Sarreguemines_Keramikblumen
Wir erreichen die Saar und ich bin erstaunt. Zwar sehe ich hier genauso den typischen, industriellen Häusermix aus drei Jahrhunderten, doch gestaltet die Stadt die Ufer der Saar mit kleinen Parks und Grünflächen attraktiv. Auffällig ist das sehr schön restaurierte Casino des Faiencerie, welches für die Arbeiter der Steingutwerkstätten im 19. Jahrhundert zur Erholung eingerichtet wurde. Die Spuren des einstigen Wirtschaftsbooms aus dem Herstellung und dem Handel von Steingut, findet sich noch in der Stadt. Beeindruckende Art-Deko Fassaden( Rue des Généraux Crémer), aber auch alte Sand- und Backsteinfassaden, der Justizpalast und der alte Bahnhof sind sehenswert. Dazwischen zeigt Saarguemines ein modernes, zweckmäßiges Gesicht.
Sarreguemines_alte Fabrikhalle
Sarreguemines_Brücke
Sarrguemines_Tor
Sarreguemines_Casino
Zurück am Auto, sind wir gespalten. Einerseits empfinden wir die Stadt als funktionell. Andererseits, ist Saarguemines kulturell sehr interessant. Wer weiß, vielleicht schauen wir bei einem Regentag im nächsten Herbst in der Bliesmühle, dem Museum für Keramiktechniken, oder dem Fayencenmuseum im Casino mal vorbei.
Ziel unseres letzten Straßburg-Besuchs war die Erkundung der wilhelminischen Geschichte der Stadt. Doch wir waren ziemliche überrascht, dass sich fast die gesamte Innenstadt noch in einem weihnachtlichen Farbenrausch befand. Daher rückten die Monumentalbauten aus der einstigen Hauptstadt Elsass-Lothringens für uns eher in den Hintergrund. Und aus einem Bummel in der Geschichte wurde ein nachweihnachtlicher Spaziergang durch die Stadt.
Stadtspaziergang im Lichtermeer
Anders als bei den meisten Weihnachtsmärkten in Deutschland, öffnet der Weihnachtsmarkt in Straßburg bis zum Neujahr. Und verwandeln die Innenstadt in ein weihnachtliches Lichtermeer. Die elsässische „Weihnachtshauptstadt“ dehnt sich auf den gesamten Innenstadtbereich aus. Vom Place Broglie bis in die Petite-France leuchten Lampen um die Wette.
Entlang unserer Route stoßen wir immer wieder auf wunderschöne und liebevoll geschmückte Häuser. Die Stimmung der Passanten ist sehr entspannt. Wir merken, dass wir uns nicht mehr im Trubel der Vorweihnachtszeit befinden. Es sind wesentlich weniger Touristen und Einkäufer unterwegs, als noch vor zwei Wochen. In der Zwischenzeit schneit es sogar noch. Und der Eindruck eines „Winterwonderlands“ steigt.
Straßburg_Au Fond Du Jardin
Straßburg_La Fleuristerie
L‘ abre bleu des Vitrines – Der Blaue Baum
Ein weiteres Highlight entdecken wir auf dem Place Gutenberg. Den Blauen Baum. Der ca. 10 Meter hohe Baum wird von zahlreichen blauen Lichtern erleuchtet. Direkt daneben leistet ein überdimensionaler blauer Teddy dem Baum Gesellschaft. Welches sicherlich noch zur Bekanntheit des Blauen Baums beigetragen hat. Kinder und Erwachsene hatten sichtlich Spaß, sich mit Beiden fotografieren zu lassen.
Müde und von der winterlichen Kälte ein klein wenig durchgefroren, steigen wir nach einem anstrengenden Tag wieder in die Tram zu unserem P+R Parkplatz außerhalb der Stadt. Auch wenn wir unser Ziel leicht verpasst haben, hat es uns dennoch sichtlich Spaß gemacht durch die Stadt zu spazieren. Und das nächste Mal? Kümmern wir uns eben nochmal um die wilhelminische Vergangenheit.